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Porträt Kunst, Kunsthandwerk: Textilhandwerk im Sozialbereich

Eine Gestalterin im Handwerk BP und Leiterin Textilatelier in einem Tageszentrums stellt ihre Tätigkeit und Aufgaben vor.

Das Tätigkeitsfeld selbst erschaffen

Eine Frau entwirft eine Textilprodukt im Atelier.
© SDBB I CSFO, Foto Dominic Büttner

Barbara Rechsteiner, Gestalterin im Handwerk BP, Leiterin des Textilateliers in einem Tageszentrum

Eine Frau entwirft eine Textilprodukt im Atelier.

© SDBB I CSFO, Foto Dominic Büttner

Berufslaufbahn

Alter Tätigkeit / Ausbildung
19 Eidg. Fähigkeitszeugnis als Bekleidungsgestalterin EFZ und Berufsmaturität
22 Familienzeit, eigenes Atelier für Massanfertigungen, Teilzeittätigkeit als Bekleidungsgestalterin: Secondhand-Shop, Flawil SG
29 Leiterin des Schneiderei-Ausbildungsprogramms für Asylsuchende: Zentrum Thurhof, Oberbüren SG
46 Leiterin Textilatelier: Quimby Huus, St. Gallen
47 Eidg. Fachausweis Gestalterin im Handwerk BP: Haus der Farbe, Zürich
49 Berufsbegleitende Ausbildung zur Gestaltungsexpertin HFP: Haus der Farbe, Zürich

Was fasziniert Sie am Zusammenspiel von kreativem Handwerk und sozialer Tätigkeit?

Ich bin vielseitig interessiert und suche immer wieder die Abwechslung. Die Begegnungen mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mit verschiedenen sozialen Hintergründen geben mir Einblicke und Denkanstösse. Vor allem die Tätigkeit im Durchgangszentrum liess mich meine eigenen Werte überdenken. Zudem wurde mir bewusst, wie wichtig es unabhängig von der Lebenssituation ist, einer Arbeit nachgehen zu können. Die Kombination mit dem Handwerk ist mir wichtig, weil ich mich nicht in einer rein beratenden Funktion im Sozialbereich sehe. Ich arbeite gern kreativ und freue mich, am Ende eines Arbeitstages etwas Sichtbares in der Hand zu haben.

«Etwas tun und etwas lernen können, das gibt vielen Menschen eine gewisse Stabilität.»

Von der Handwerkerin zur Betreuerin und Pädagogin. Welches waren die besonderen Herausforderungen?

Herausfordernd war die Auseinandersetzung mit den Themen «Flucht» und «Trauma». Die Flüchtlinge waren in einer unsicheren Situation ohne Perspektive. Es ging darum, eine möglichst positive Atmosphäre zu schaffen und ihnen mit der Arbeit Ablenkung zu verschaffen. Etwas tun und etwas lernen können, das gibt vielen Menschen eine gewisse Stabilität. Gemeinsam mit meiner Arbeitskollegin habe ich ein sechsmonatiges Lernprogramm für Textilverarbeitung entwickelt. Anhand dieses Programms haben wir die Menschen angeleitet. Je nach Wissenstand oder Verfassung der Asylsuchenden waren wir immer wieder gefordert, Aufgaben und Begleitung individuell anzupassen.

Welches sind heute Ihre Aufgaben als Leiterin des Textilateliers in einem Tageszentrum?

Meine Aufgabe ist es, Menschen mit einer Hirnverletzung bei der Arbeit zu begleiten und Hilfsmittel und Lösungen zu finden, damit sie diese ausführen können. Beim Entwickeln der Produkte berücksichtige ich die Fähigkeiten unserer Klientinnen und Klienten. Zu meinen Aufgaben gehört es auch, Produkte zu entwerfen, Material zu beschaffen, Arbeitsabläufe zu dokumentieren, Räume einzurichten sowie Standortgespräche zu führen und in herausfordernden Situationen Hilfestellungen zu bieten.

Wie hat sich der Abschluss zur Gestalterin im Handwerk BP auf Sie selbst ausgewirkt?

Die Ausbildung hat meinen Horizont erweitert. Die Studierenden hatten ganz unterschiedliche Vorbildungen: Malerinnen und Maler, Schreinerinnen und Schreiner, Polydesignerinnen und -designer 3D, Floristinnen und Floristen oder Metallbauerinnen und -bauer. Ungewöhnlich an dieser Weiterbildung ist, dass das spätere Tätigkeitsfeld nicht klar definiert ist und selbst geschaffen werden muss. Die Grundlagen der Gestaltung – Farbe und Form – wurden praxisnah vermittelt. Vor allem aber habe ich gelernt, Gestaltungsvorschläge im Prozess zu entwickeln.

Ein wichtiger Teil der Ausbildung war zudem die Kommunikation: Fachgespräche, Präsentationen und Dokumentationen. Derzeit besuche ich den Vorbereitungskurs auf die höhere Fachprüfung zur Gestaltungsexpertin im Handwerk HFP. Hier geht es vor allem darum, eigene Konzepte zu erstellen, sie auszuarbeiten und auszuformulieren. Zum Unterricht gehören auch Themen wie Geschäftsführung und Design-Geschichte. Letzteres hat meine Augen geschärft und hilft mir, mein eigenes Schaffen in einen Kontext einzuordnen.

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