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Porträts von Selbstständigerwerbenden

Wie mache ich mich selbstständig? Firmengründerinnen und Firmengründer berichten, wie die Idee entsteht und welche Schritte zur Firmengründung führen.

In einen Nischenmarkt einsteigen

Marion Bareil ist Multimedia Creative Director und Entwicklerin von Videospielen. Zusammen mit einer Studienkollegin hat sie ein Abenteuerspiel für Kinder auf den Markt gebracht. Im Porträt erzählt die 31-Jährige, wie sie und ihre Geschäftspartnerin in der Welt der Video- und Gesellschaftspiele Fuss gefasst haben.

Marion Bareil steht vor einer Wand mit Entwürfen für Videospiele.
© SDBB I CSFO, Foto Thierry Parel
Marion Bareil steht vor einer Wand mit Entwürfen für Videospiele.

© SDBB I CSFO, Foto Thierry Parel

"Wir haben damals rund 15 Videospiele der Konkurrenz geprüft, die einige Mängel aufwiesen. So haben wir erkannt, dass sich viele Leute für digitale Spiele begeistern und es gleichzeitig eine Marktlücke gibt. Es war der richtige Zeitpunkt, ein Qualitätsprodukt zu entwickeln."

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"Als ich meine zukünftige Geschäftspartnerin an einer Schule in Paris kennenlernte, war uns beiden klar, dass wir zusammen etwas auf die Beine stellen müssen", erinnert sich Marion Bareil. Während ihres Masterstudiums in Media Design entstand die Idee für das Abenteuerspiel "Oniri Islands." Es richtet sich an Kinder ab sechs Jahren, wird auf dem Tablet gespielt und beinhaltet zwei digitale Figuren, die auf dem Bildschirm bewegt werden.

Gründung einer GmbH

Das Projekt hat mehrere Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Prix Genilem. Er verschaffte den beiden jungen Frauen ein schlüsselfertiges Unternehmensprojekt und die Gründung einer GmbH. So wurde das Studio Tourmaline ins Leben gerufen. Weiter konnten die jungen Frauen während drei Jahren vom Coaching durch Genilem profitieren. "Im Rahmen dieses Wettbewerbs mussten wir unser Projekt präsentieren und einen Businessplan erstellen, was nicht einfach war. Weder ich noch meine Partnerin hatten eine Ahnung von Betriebswirtschaft. Der Businessplan muss glaubwürdig sein und Auskunft über die Marktverhältnisse geben. Wir haben damals rund 15 Videospiele der Konkurrenz geprüft, die einige Mängel aufwiesen. So haben wir erkannt, dass sich viele Leute für digitale Spiele begeistern und es gleichzeitig eine Marktlücke gibt. Es war der richtige Zeitpunkt, ein Qualitätsprodukt zu entwickeln."

Die Auszeichnungen haben den jungen Unternehmerinnen auch die Türen zu den grossen Messen für Videospiele geöffnet und "Oniri Islands" mehr Sichtbarkeit verschafft.

Gestalterische Freiheit

Mit dem Preisgeld der Auszeichnungen und dank den mittels Crowdfunding gesammelten 31'000 Franken konnten die jungen Frauen die Produktion des Spiels finanzieren. "Wir haben das Geld verwendet, um die Figuren herzustellen sowie unsere Dienstleister wie 3D-Künstler und Sound Designer zu bezahlen. Am Anfang konnten wir selbst während mehreren Monaten keinen Lohn beziehen", erklärt Marion Bareil. Die junge Frau musste deshalb auch einen Nebenjob ausüben.

Marion Bareil und ihre Geschäftspartnerin ergänzen sich gut. "Wir fällen alle Entscheidungen gemeinsam und kümmern uns auch zusammen um die Finanzen und die Administration. Zudem haben wir beide das letzte Wort bei Fragen zum Game Design oder zur Grafik. Weil wir selbstständig sind, verfügen wir über eine gewisse gestalterische Freiheit."

Eigene Projekte und externe Aufträge

"Oniri Islands" wurde Ende 2018 im Eigenverlag auf den Markt gebracht. "Bei der Herausgabe war der Erfolg eher mittelmässig", erklärt Marion Bareil. "Davon abgesehen war das Spiel aber eine hervorragende Erfahrung für uns und dient als Visitenkarte für andere Projekte." Zurzeit arbeitet das Studio an der Entwicklung eines Brettspiel-Prototyps für "Oniri Islands" und bietet andere Dienstleistungen wie die Entwicklung von Apps, Trailers für Gesellschaftsspiele oder die Entwicklung von Serious Games an. Das Studio wird auch von einem Inkubator unterstützt. "Wir haben uns in der Welt der Video- und Gesellschaftsspiele einen Namen gemacht."

Vom persönlichen Lebensstil zum eigenen Geschäft

Michela De Benedetti hat ihren Traum von der Selbstständigkeit erfüllt: Zusammen mit ihrem Lebenspartner hat sie ein Geschäft für vegane Produkte eröffnet. Im Porträt erzählt die 45-Jährige von den Vorbereitungen auf die Eröffnung und ersten Herausforderungen auf dem Markt.

Michela De Benedetti steht hinter der Theke in ihrem Laden "Green Planet".
© SDBB I CSFO, Foto Viola Barberis
Michela De Benedetti steht hinter der Theke in ihrem Laden "Green Planet".

© SDBB I CSFO, Foto Viola Barberis

"Wir wussten, dass es in unserer Region noch nichts Vergleichbares gab, dass aber durchaus eine Nachfrage bestand. Nun sind wir hier das einzige vollkommen vegane Geschäft. Wir leben beide vegan. Das Bedürfnis, unsere Ideale mit anderen zu teilen, hat uns zu diesem Schritt bewogen."

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Ihr Geschäft ist eher klein, aber die Regale bieten eine grosse Auswahl: rein pflanzliche Reformkost und -getränke sowie palmölfreie Produkte, von Knabbersnacks über Biscuits bis hin zu veganem Käse und Pflanzenmilch. "Wir führen auch Waschmittel, Make-up und Haarfärbemittel." Der Name, der die Schaufenster ziert, ist Programm: "Green Planet". Aber so einfach ist das Leben auf dem neuen Planeten noch nicht.

Mit beiden Füssen fest auf dem Boden

"In den ersten Monaten verdient man wenig und es fallen viele Ausgaben an: Da gilt es durchzuhalten." Bis das Geschäft dann schwarze Zahlen schreibt, dauert es noch etwas länger. Dank einem soliden Startkapital kann Michela De Benedetti dieser Situation die Stirn bieten: "Mit unseren Ersparnissen halten wir das Projekt über Wasser: Neben den Investitionen in das Geschäft müssen auch die täglichen Ausgaben beglichen werden." So kann es denn auch gut sein, dass Michela De Benedettis Lebenspartner bald wieder in den Malerberuf zurückkehrt: "Es wäre sehr beruhigend, noch eine zusätzliche Einnahmequelle zu haben, auch wenn es nur eine Teilzeitstelle wäre."

Vor der Eröffnung konzentrierten sich Michela de Benedetti und ihr Lebenspartner vor allem auf die Suche nach geeigneten Lieferanten: "Das hat uns viel Zeit und Energie gekostet. Das beste Angebot erhielten wir aus Italien, das bedeutet aber auch höhere Transportkosten und Einfuhrzölle."

Wertvolle Unterstützung

Weder Michela de Benedetti noch ihr Lebenspartner haben kaufmännische Erfahrung. Ihr Projekt konnten sie nicht zuletzt dank kantonalen Angeboten verwirklichen. So hat Michela einige der Kurse belegt, welche die kantonale Fachstelle Selbstständigkeit anbietet, etwa zu den Themen Rechtliche Grundlagen, Marketing und Buchhaltung. Die Fachstelle bietet auch Beratung für die ersten Schritte in die Selbstständigkeit: "Vor der Eröffnung hatten wir fachmännische Unterstützung bei der Ausarbeitung des Businessplans, und eine Beraterin des Kantons unterstützt uns nach wie vor bei der Buchhaltung und weiteren administrativen Belangen."

Work in progress

Eine gute Kundenvernetzung ist heute das A und O im Marketingbereich. "Wir erneuern gerade unsere Website, um auch das Online- Geschäft in Gang zu bringen. Auf Instagram und Facebook informieren wir über neue Produkte und teilen täglich vegane Rezepte." Eines ist sicher: Man muss sich auf dem Laufenden halten und sich anpassen können. So macht sich Michela de Benedetti bereits Gedanken über den aktuellen Standort des Geschäfts: "Wir haben gemerkt, dass der Fussgängerfluss in der Strasse eher mässig ist. Es kann also gut sein, dass wir umziehen."

Das Familienunternehmen weiterführen

Philipp Bähler hat das Bauunternehmen seiner Eltern übernommen. Im Porträt erzählt der gelernte Bauführer von seinem neuen Alltag und worauf Familien bei einer Geschäftsübergabe achten sollten.

Philipp Bähler an seinem Schreibtisch.
© SDBB I CSFO, Foto Maurice Gruenig
Philipp Bähler an seinem Schreibtisch.

© SDBB I CSFO, Foto Maurice Gruenig

"Mein Vater kommt heute noch täglich vorbei, aber beteiligt sich nicht mehr am Tagesgeschäft. Ich rate allen, die eine Firma übernehmen, nicht alles auf einmal zu ändern, sondern besser langsam zu optimieren."

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Schon als kleines Kind war Philipp Bähler häufig im Werkhof des elterlichen Baugeschäfts anzutreffen. Später fand er Spass am Baumaschinen fahren. "Für mich gab es nichts anderes als den Bauberuf", meint der 41-Jährige rückblickend. Seine Maurerlehre absolvierte er bei der Konkurrenz. "Für die Schnupperlehre nahm ich unseren Bagger mit."

Von der Pike auf dabei

Nach der Lehre war es für Philipp Bähler klar, dass er im elterlichen Betrieb einsteigt. Er machte dort die Ausbildung zum Polier und später zum Bauführer. "Am Anfang war ich noch meist auf der Baustelle anzutreffen, aber mit der Zeit arbeitete ich immer häufiger im Büro." Heute ist er die meiste Zeit am Telefon oder am Computer.

Über die Jahre hinweg übernahm Philipp Bähler sukzessive immer mehr Führungsaufgaben, und immer mehr Entscheidungen wurden von Vater und Sohn gemeinsam getroffen. "Waren mein Vater und ich uns nicht einig, ging es auch mal laut zu und her", erinnert sich der Bauunternehmer. Danach ging man sich für ein paar Stunden aus dem Weg und alles war vergessen.

Vor etwa zehn Jahren fing Philipp Bähler an, die volle Verantwortung für die 20 Mitarbeitenden zu übernehmen. Sein Vater zog sich immer mehr zurück. "Er kommt heute noch täglich vorbei, aber beteiligt sich nicht mehr am Tagesgeschäft."

Transparenz in der Familie

Die Baufirma war seit Generationen ein Familienunternehmen. Im Verwaltungsrat sassen nebst ihm auch seine Eltern, seine Schwester und ein Notar. "Meine Schwester hatte nie Interesse an der Firma, aber sie war über alles informiert und hätte auch ihr Veto einlegen können. Transparenz ist sehr wichtig, sonst gibt es in der Familie böses Blut", betont Philipp Bähler.

Dass Philipp Bähler die Aktiengesellschaft als Alleinaktionär übernehmen wird, war für alle klar, aber nicht vordringlich. Vor zwei Jahren arbeitete der Notar dann einen Vorschlag für die Übergabe aus. Wichtig war, dass Philipp Bählers Schwester nicht benachteiligt wurde. "Alle Vermögenswerte der Firma wurden von einer unabhängigen Firma geschätzt. Meine Schwester wusste genau, was ich mit der Firma erhielt. Auch hier war Transparenz das A und O." Alles Weitere war reine Formsache.

Emotional hat sich für die Familie und für Philipp Bähler nichts geändert. Die meisten Kunden und Lieferanten merkten gar nichts von der Geschäftsübertragung. Nur ein paar wenige lasen es im Amtsblatt und sprachen ihn darauf an. Auch bei den Angestellten blieb alles beim alten, da Philipp Bähler schon lange zuvor den Chefposten übernommen hatte.

Härtere Bedingungen

Hingegen hat sich die Geschäftslage seit der letzten Generation verändert. Konnte sein Vater sich die Aufträge auswählen, bewerben sich heute mehrere Bauunternehmen auf eine Ausschreibung. Erstellte der Vater in erster Linie Neubauten, führt Philipp Bähler heute vermehrt Renovationen und Sanierungen durch. Moderne Technologie beschleunigt und erleichtert zudem die Arbeitsausführung.

Philipp Bähler rät allen, die eine Firma übernehmen: "Nicht alles auf einmal ändern, sondern besser langsam optimieren."



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