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Laufbahnbeispiele: Allgemeine Sprachwissenschaft, Angewandte Linguistik, Computerlinguistik

Hochschulabsolventinnen und -absolventen berichten aus ihrem Berufsalltag. Was sind ihre aktuellen Aufgaben? Welche Tipps geben sie für den Berufseinstieg?

User Experience

Jakob Marti hat allgemeine Sprachwissenschaft studiert. Er nutzt seine Sprachkenntnisse als Teamleiter in den Bereichen Software-Entwicklung und User Experience Research bei einem internationalen Online-Verlag für wissenschaftliche Publikationen.

"Wir sind die Anwälte der Benutzer."

Jakob Marti
© Jakob Marti

Laufbahn

Alter/JahrTätigkeit/Ausbildung
28Master Allgemeine Sprachwissenschaft, Universität Bern
29Junior Usability Consultant, ergonomie & technologie, Zürich
32Gründer und technischer Leiter, Webverlag germanistik.ch
32Dr. phil, allgemeine Sprachwissenschaft, Universität  Bern
33Lead Usability Consultant, UBS
41Teamleiter User Experience Research, Google
49Teamleiter User-Experience Research, Frontiers Media SA

Wie sieht Ihre aktuelle Tätigkeit aus?

Ich gestalte Software bei Frontiers Media SA. Dort leite ich ein kleines Team von Fachpersonen, welches für die Benutzerfreundlichkeit verantwortlich ist. Durch unsere Benutzerstudien sind wir die Brücke zwischen Benutzern und dem internen Entwicklungsteam, welches ausser uns aus Designern, Produktmanagern oder Informatikern besteht.

«Eine konsistente und deutliche Sprache und das Vermeiden von sprachlichen Missverständnissen sind wichtige Bausteine in der Softwareentwicklung.»

Ich versuche, mir bei jeder Benutzeroberfläche vorzustellen, wie die Anwenderinnen und Anwender damit umgehen. Das Ziel ist, dass sie sofort und intuitiv mit den Programmen arbeiten können und Spass bei der Bedienung haben. Diese Perspektive nehme ich ein in Workshops, in Feldbeobachtungen und Interviews, für Skizzen und Konzepte. Wir arbeiten im Home Office, treffen uns aber regelmässig für Workshops und Kaffee im Hauptquartier in Lausanne. Für die Benutzerstudien und für die Besprechungen mit dem Team in ganz Europa arbeiten wir mit Videokonferenzen.

Wir arbeiten in einem Grossraumbüro mit fixen Arbeitsplätzen und flexibel von überall her im In- und Ausland per Laptop und Cloud-Zugang. Für die Benutzerstudien haben wir ein internes Usability-Labor mit Kameras, Mikrofonen und Bildschirmen. Nebenberuflich führe ich mit zwei Mitgründern einen Online-Verlag, wo ich die technische Entwicklung und den Unterhalt betreue.

Wie verlief Ihr Berufseinstieg?

Ich hatte das Glück, mich und meine Ideen bei einer kleinen Beratungsfirma vorstellen zu dürfen, die ich im Internet gefunden hatte. Ich wurde einige Monate später angefragt, ob ich Teilzeit dort arbeiten wolle. Parallel dazu habe ich meine Doktorarbeit an der Universität geschrieben. Allgemeine Sprachwissenschaft ist nicht der Renner auf dem Arbeitsmarkt. Der Berufseinstieg ist mir erst gelungen, als ich eine Idee entwickelt hatte, was ich Einzigartiges in die Berufswelt einbringen kann. In meinem Fall war das Textoptimierung für das Internet.

Welche Tipps geben Sie Studierenden?

Von der Sprachwissenschaft nahm ich eine grosse Liebe zur Sprache mit in den Berufsalltag. Durch genaue Sprache gewinne ich als User Experience Researcher viel Glaubwürdigkeit. Eine konsistente und deutliche Sprache und das Vermeiden von Missverständnissen bilden zudem wichtige Bausteine heutiger Softwareentwicklung. Am wichtigsten ist es, das Einzigartige in sich zu finden: Was kann ich besser als jemand ohne Sprachwissenschaft?

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

N.N. hat Allgemeine Sprachwissenschaft studiert. Nach Tätigkeiten als Übersetzerin, Lehrperson und Redaktorin arbeitet sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Universität.

"Als wissenschaftliche Mitarbeiterin kann ich zum Überleben bedrohter Sprachen beitragen."

Symbolbild Nepal
© Alex B auf Pixabay

Laufbahn

Studium Allgemeine Sprachwissenschaft
Nachdiplomstudien in Kognitionswissenschaft und Neurolinguistik
Übersetzerin, Deutschlehrerin, Redaktorin, Lektorin
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Universität

Wie sieht Ihre aktuelle Tätigkeit aus?

Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin kann ich bedrohte Sprachen beschreiben und zu ihrem Überleben beitragen. Sprachwissenschaftler schätzen, dass von den rund 6500 Sprachen, die heute gesprochen werden, mehr als fünfzig Prozent im Laufe der nächsten hundert Jahre aussterben werden. Eine solche bedrohte Sprache ist das Dhimal im Osten Nepals. Zur Erforschung dieser Sprache verbrachte ich dreimal ein bis fünf Monate in Nepal, wo ich die Sprache der Dhimal lernte, beschrieb und generell Sprachmaterial sammelte.

«Zur Erforschung einer vom Aussterben gefährdeten Sprache ist es unerlässlich, dass man eine häufiger gesprochene  Sprache derselben Sprachfamilie erlernt. So habe ich beispielsweise Nepali gelernt, um die Sprache Dhimal zu erforschen.»

Ich fuhr täglich mit meinem Fahrrad zu meinem Hauptinformanten in einem Dhimal-Dorf. Wir sassen jeweils drei Stunden zusammen, erstellten Wortlisten, übersetzten Sätze aus dem Nepali ins Dhimal, transkribierten auf Tonband aufgenommene Texte  und analysierten diese.

Wie verlief Ihr Berufseinstieg?

Dass ich Linguistik studieren wollte, wusste ich bereits während meiner Schulzeit. Ich habe in Zürich und England Allgemeine Sprachwissenschaft studiert. Nach dem Erscheinen meiner Doktorarbeit konnte ich an der Universität Zürich eine Stelle als Assistentin antreten. Dort unterrichtete ich einerseits Studierende der Allgemeinen Sprachwissenschaft und begann mich andererseits in den Forschungsschwerpunkt Südasien einzuarbeiten. Ich reiste zweimal auf eigene Kosten nach Nepal um Nepali zu lernen, einen Forschungsgegenstand zu identifizieren und beim Schweizer Nationalfonds ein Forschungsprojekt einzureichen.

Welche Tipps geben Sie Studierenden?

Die Arbeit einer Sprachwissenschaftlerin beruht auf der genauen Analyse der bedrohten Sprache. Das erfordert Sinn fürs Detail, Hartnäckigkeit und Ausdauer. Zur Erforschung einer vom Aussterben gefährdeten Sprache ist es unerlässlich, dass man eine häufiger gesprochene  Sprache derselben Sprachfamilie erlernt. So habe ich beispielsweise Nepali gelernt, um die Sprache Dhimal zu erforschen. Der Verlauf meiner Laufbahn in der Wissenschaft ist offen, dies erfordert Flexibilität und die Bereitschaft, Neues zu wagen.



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