Die richtigen Schlüsse ziehen
E. B. studiert Forensische Wissenschaft im zweiten Semester Master an der Universität Lausanne (UNIL).
Was ist besonders an Ihrem Studium?
Es gibt schweizweit keinen vergleichbaren Studiengang, ich würde sogar behaupten, er ist weltweit einzigartig. Die Dozierenden sind alle leidenschaftliche Fachpersonen mit hoher Anerkennung und jahrelanger Erfahrung auf ihrem Gebiet. Viele Aussenstehende haben allerdings falsche Vorstellungen vom Studium, meist basierend auf Serien. So ergeben sich schnell spannende Diskussionen. Ich mag diesen Austausch sehr und es freut mich immer, andere für die wahre Forensik begeistern zu können.
Welche Vorlesungen sind besonders zentral?
Die Forensische Wissenschaft ist in Lausanne breit gefächert, eine besonders zentrale Vorlesung gibt es meiner Meinung nach nicht. Die typischen Fächer drehen sich um etliche Arten von Spuren, wie biologische oder numerische Spuren, Finger-, Schuh- oder Mikrospuren. Ein beachtlicher Teil der Vorlesungen behandelt aber auch andere Fächer. Dazu gehören Kriminologie, Recht, Fotografie, Chemie und Statistik. Im Master setzt man sich hauptsächlich mit der Frage auseinander: «Wie interpretiere ich die Resultate forensischer Analysen?»
Was finden Sie schwierig?
Es handelt sich zweifellos um ein forderndes und zeitaufwändiges Studium. Vor allem am Anfang kann es schwerfallen mit dem Tempo mitzuhalten, bis man sich an die Anforderungen gewöhnt hat. Der stetige Vergleich mit anderen Mitstudierenden ist leider auch nicht ganz einfach. Ich kann jedoch aus Erfahrung und voller Überzeugung sagen, dass der Vergleich nicht nötig ist, denn alle müssen ihren eigenen Weg gehen.
Wie ist die Stimmung untereinander?
Im ersten Jahr ist die Konkurrenz spürbar. Dies liegt vor allem daran, dass nur ein Bruchteil der zahlreichen Studierenden das zweite Jahr erreicht. Mir half es, darüber zu reden. Den Druck baut man sich oft selbst auf, ausserdem lernt es sich um einiges leichter, wenn man sich nur auf sich selbst konzentriert. Das soll aber nicht entmutigen – auch im ersten Jahr findet man sehr gute Freunde, die einen während des Studiums unterstützen. Und im zweiten Jahr ändert sich alles schlagartig, da die Klasse bedeutend kleiner wird und alle einander kennen.
Wie schätzen Sie Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt ein?
Im Umfeld habe ich schon oft gehört, die Forensik sei eine Nische und es brauche ja sowieso nicht viele von uns in der Schweiz. Dem wage ich zu widersprechen. Denn das typische Berufsbild gibt es nicht und die Vielfalt des Studiums öffnet etliche Türen. Viele beginnen ihre Laufbahn in der Kriminaltechnik bei einer kantonalen Polizei. Dank des breit gefächerten Studiums sind aber auch ganz andere Wege möglich, etwa mit einem Master in Kriminologie, Informatik oder sogar Recht. Zudem spricht die grosse Mehrheit der Studierenden Französisch, da können Deutschkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt Vorteile bringen.
Fühlten Sie sich gut genug auf Ihr Studium vorbereitet?
Ich denke, ein Schwerpunkt in Naturwissenschaften am Gymnasium kann vor allem für das erste Jahr von Vorteil sein. Doch es gibt auch viele Fächer, die für alle neu sind und von Beginn an aufgearbeitet werden.
Welche Tipps geben Sie angehenden Studierenden?
Einfach dranbleiben, auch wenn die Übungen teilweise schwer zu lösen sind. Lieber die Aufgaben mehrmals durchlesen und vielleicht nur einen Teil lösen, als aufgeben und auf die Lösungen warten. Versuchen, sich nicht zu sehr mit anderen zu vergleichen. Nach dem letzten Semester des Bachelors gibt es zudem die Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren. Ich empfehle, diese Chance unbedingt zu nutzen, um einen Einblick in die Berufswelt zu erhaschen.
Was finden Sie sonst noch wichtig?
Viele aus der deutschsprachigen Schweiz sorgen sich um die Sprache. Doch ich kann alle beruhigen, denn ich komme aus dem Bündnerland und hatte daher Italienisch und Englisch in der Schule, kein Französisch. In den Sommerferien vor Unibeginn besuchte ich einen Crashkurs in Lausanne, der mir den Start etwas erleichterte. Ich war jedoch noch weit davon entfernt, die Dozierenden zu verstehen. Der Anfang ist nicht einfach, aber man gewöhnt sich schnell an die Sprache und mittlerweile kann ich mich teilweise besser auf Französisch ausdrücken als auf Deutsch.