Jeder Patient ist ein Rätsel, das es zu lösen gilt
A. F. studiert Veterinärmedizin im 5. Semester an der Universität Bern UNIBE.
Tierärztin zu werden, war ein Kindheitstraum. Meine ersten Schnuppertage in einer Kleintierklinik haben mir allerdings gar nicht so gut gefallen wie erwartet. Zum Glück habe ich dann noch ein zweiwöchiges Praktikum in einer Pferde-Fahrpraxis gemacht. Mit dem Auto von Hof zu Hof zu fahren und den ganzen Tag draussen zu sein, das hat mich begeistert. Jeder Patient war ein Rätsel, das es zu lösen galt, und jeder Tag war aufregend und verlief meist anders als geplant. Das hat mich motiviert, mich fürs Studium anzumelden. In einer Fahrpraxis möchte ich auch unbedingt später arbeiten und wenn möglich noch eine Zusatzausbildung in einer komplementärmedizinischen Disziplin absolvieren.
Bisher am besten gefallen haben mir Fächer wie Anatomie und Physiologie. Es begeistert mich zu sehen, wie der eigene Körper funktioniert und wie viele Unterschiede und Gemeinsamkeiten es zwischen den Spezies gibt. Aktuell beschäftigen wir uns mit dem Respirationstrakt. Im ersten Jahr haben wir dazu bereits gewisse Grundlagen erarbeitet, im dritten Jahr schauen wir das Ganze jetzt detaillierter und tierartspezifisch an. Bis zu den Prüfungen werden wir so auch das Herz-Kreislaufsystem und die Niere weiter vertiefen. Neben den Vorlesungen haben wir auch Präparierübungen, Mikroskopierkurse und Propädeutik-Praktika.
Bei den Nacht- und Wochenenddiensten ab dem zweiten Jahr können wir in den verschiedenen Kliniken vom ersten Moment an voll anpacken: Medikamente verabreichen, Blutzucker messen, mit Patienten spazieren gehen, Atemfrequenz, Puls und Temperatur bestimmen – das gehört dabei zu den typischen Aufgaben. Zu Beginn kann das schnell überfordern, es macht aber auch Spass und hilft, sich das theoretische Wissen besser zu merken. Viele Studierende machen zudem freiwillige Praktika während der Semesterferien, um das Gelernte gleich anwenden zu können.
Ich lerne Schmerzen lindern
S. L. studiert Veterinärmedizin im 11. Semester an der Universität Zürich UZH.
Der psychische Druck hat mich anfangs beinahe überwältigt. Die Dozierenden überschütteten mich mit Wissen, die Studierenden stellten superschlaue Fragen, während ich noch nicht einmal die Grundlagen verstanden hatte. Ich fühlte mich winzig und verloren. Heute weiss ich: Wir werden nie alles verstehen. Das ist das Faszinierende an der Medizin.
Mittlerweile bin ich im Masterstudium. Ich habe den Schwerpunkt Nutztiere belegt, schätze die Zusammenarbeit mit Bäuerinnen und Landwirten und würde später auch gerne in einer Nutztierpraxis arbeiten. Besonders interessiert mich die Bestandsbetreuung. Man will nicht mehr nur erkrankte Einzeltiere behandeln, sondern Krankheiten im gesamten Tierbestand vermeiden und gesunde Tiere gesund erhalten.
Am meisten freue ich mich auf den Kontakt mit den Tierhaltern. Wir versuchen herauszufinden, was dem Tier fehlt, und kommunizieren Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten dann der Besitzerin, die über das weitere Vorgehen entscheiden wird. Wir sind so quasi Detektiv und Anwältin des Tieres, das begeistert mich. Nachteile des Berufes sehe ich darin, dass wir lange und unregelmässige Arbeitszeiten haben, längst nicht so gut verdienen, wie man oft denkt, mehr Zeit am Computer verbringt als mit dem Tier selbst und in der Nutztiermedizin eigentlich den halben Tag nur Auto fahren. Zudem kann der Berufsalltag gefährlich sein durch Hundebisse, Hornstösse oder Huftritte.
Trotzdem: Die Veterinärmedizin ist eine unglaublich faszinierende Welt. Man lindert Schmerzen, bewahrt Leben. Es gibt Tage, an denen man sich zerstört und entmutigt fühlt. Aber es gibt auch Tage, an denen man abends das Gefühl hat, man habe die ganze Welt gerettet. Dafür lohnt sich alles. Dafür habe ich mich entschieden.