Kompetenzen für langfristige Visionen
Klimawandel, Biodiversität, neue Waldbewirtschaftungsmethoden, schwankende Holzpreise: Es gibt viele Themen, welche die Forstwirtschaft umtreiben. François Sandmeier, Vorstandsmitglied der OdA Wald Schweiz und Leiter des forstwirtschaftlichen Berufsbildungszentrums des Kantons Waadt, erläutert die Zusammenhänge.
Welches sind die aktuellen Herausforderungen für die Forstwirtschaft?
Die Herausforderungen sind vielfältig! Einerseits muss der Wald auf seine zunehmende Beliebtheit reagieren: Der neue Zustrom von Städterinnen, Schulklassen oder Anhängern alternativer Heilmethoden wirft Fragen zu Achtsamkeit und Naturschutz auf. Andererseits leidet der Wald stark unter den Auswirkungen des Klimawandels. Die Verlagerung von Nadelbäumen in Gebiete, die höher gelegen und schwieriger zu bewirtschaften sind, wirft die Frage nach neuen Baumarten im Flachland auf. Die Austrocknung der Böden führt vermehrt zu Waldbränden, die wiederum das Holz vernichten, das die Energie- und Bauwirtschaft benötigt. Die Branche muss sich auch neu organisieren, um auf die wachsende Nachfrage für einheimische Holzarten zu reagieren. Und schliesslich hoffen wir auf steigende Holzpreise, um mehr private Besitzer dafür zu gewinnen, ihren Wald ökologisch und profitabel zu bewirtschaften.
«Den Wald bewirtschaften bedeutet, an zahlreichen Stellen auf das Gleichgewicht zu achten.»
Welche Fähigkeiten sind auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragt?
Den Wald bewirtschaften bedeutet, an zahlreichen Stellen auf das Gleichgewicht zu achten. Wir brauchen Kompetenzen für komplexe und interdisziplinäre Aufgabenstellungen: Die forstwirtschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von morgen sind Umweltmanager. Sie müssen in der Lage sein, mit anderen Branchen zusammenzuarbeiten, z. B. mit der Landwirtschaft oder den Wildschutzbehörden. Absolventinnen und Absolventen einer beruflichen Grundbildung müssen ihre Kenntnisse in Ökologie und Pflanzenwelt vertiefen. Die digitale Waldbewirtschaftung, etwa der Einsatz von Drohnen, ist ein Segen für die Branche: Er ermöglicht, den Wald zu beobachten, sein Volumen abzuschätzen und vieles mehr. Die Digitalisierung erfordert jedoch zusätzliche technische Kenntnisse, zum Beispiel in der Kartografie. Die wachsende Beliebtheit des Waldes führt zu einer grösseren Nachfrage für Rangerinnen und Ranger. Wir brauchen auch innovative Berufsleute, um unbekannte oder noch ungenutzte Ressourcen zu erschliessen. Um das Wasser-, Boden- und Luftgleichgewicht zu regulieren, liesse sich zum Beispiel der Waldboden und sein Untergrund als Wasserfilter nutzen. Und dann muss die Branche - nur 5 Prozent der Lernenden sind weiblich - mehr Mitarbeiterinnen gewinnen. Die traditionell männliche Belegschaft muss sich selbst hinterfragen und lernen, mit Frauen zusammenzuarbeiten.
Wo werden in den nächsten Jahren Arbeitsplätze geschaffen?
Die Branche ist auf Nachwuchs angewiesen - auf allen Bildungsstufen und in allen Tätigkeitsbereichen. Wir brauchen mehr Forstpraktikerinnen und -praktiker EBA, die die Handgriffe im Wald beherrschen. Ebenso fehlen Förster/innen HF sowie Forstingenieurinnen und -ingenieure FH, die den Wald vom Unterhalt bis zur Neuplanung bewirtschaften. Unsere Bestrebungen müssen sich darauf konzentrieren, die Attraktivität der Branche zu steigern: Durch weitere Automatisierung, um die körperlich anspruchsvolle Arbeit zu erleichtern. Durch die Ausarbeitung von Gesamtarbeitsverträgen, um die Lohnbedingungen zu verbessern. Und durch mehr Durchlässigkeit, um den Wechsel zwischen den Forstberufen zu erleichtern. Einige Bundes- und Kantonsinitiativen, etwa die Beteiligung an den Kurskosten in der höheren Berufsbildung, sind begrüssenswerte Fortschritte. Indem wir den Wald bewirtschaften, wachen wir letztlich auch über die Lunge der Erde. Das ist eine noble Aufgabe, zu der wir jeden Tag beitragen.