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Laufbahnbeispiele: Sonderpädagogik, klinische Heilpädagogik und Sozialpädagogik

Hochschulabsolventinnen und -absolventen berichten aus ihrem Berufsalltag. Was sind ihre aktuellen Aufgaben? Welche Tipps geben sie für den Berufseinstieg?

Schulische Heilpädagogin

Isabel Bäuerle ist Schulische Heilpädagogin in einem Kompetenzzentrum für Kleinkinder, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Hörsehbehinderung und verwandten Formen von mehrfacher (Sinnes-)Behinderung.

«Meine Schülerinnen und Schüler gestalten den Schulalltag selbstbestimmt und kreativ mit.»

Isabel Bäuerle
© Isabel Bäuerle
Isabel Bäuerle

© Isabel Bäuerle

Laufbahn

Alter/JahrTätigkeit/Ausbildung
19Abitur – Allgemeine Hochschulreife, Emmendingen (Deutschland)
20Bundesfreiwilligendienst: staatliche Schule für mehrfach körperlich Beeinträchtigte mit Internat, Emmendingen-Wasser (Deutschland)
24Bachelor in Primary Education: Fachhochschule Nordwestschweiz, Brugg (AG)
24Primarlehrerin: Einschulungsklasse, Lenzburg (AG)
28Schulische Heilpädagogin: Tanne – Schweizerische Stiftung für Taubblinde, Langnau am Albis (ZH)
29Master in Special Needs Education: Hochschule für Heilpädagogik (HfH), Zürich
31CAS Autismus: HfH, Zürich

Wie sieht Ihre aktuelle Tätigkeit aus?

In der Tanne bin ich als Schulische Heilpädagogin Klassenlehrerin von vier Schülerinnen und Schülern mit Hör- und Sehbeeinträchtigungen, körperlichen Beeinträchtigungen sowie mit frühkindlichem Autismus. Bei der Planung und Durchführung von individuellen Förderplänen und Unterrichtsinhalten gehe ich stark ressourcenorientiert vor.

Ich unterrichte alle Fächer, von Mathematik und Sprache über Kreatives Gestalten bis hin zum Kochen und Schwimmen. Mit den Eltern bin ich im stetigen Austausch und kontaktiere auch externe Fachstellen wie die IV oder Firmen der unterstützten Kommunikation, die sich beispielsweise um die Hörgeräte meiner Schüler und Schülerinnen kümmern.

«Die Aussicht etwas Sinnvolles im Leben zu machen, eine Leidenschaft und eine Begabung zum Beruf zu machen, hat mich immer am meisten motiviert.»

Ich bin Teil eines interdisziplinären Förderteams aus den Bereichen Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Sozialpädagogik, Kommunikation und Interaktion sowie Sehen und Hören. Meine Schülerinnen und Schüler gestalten den Schulalltag selbstbestimmt und kreativ mit; kein Tag gleicht dem anderen, das macht meinen Beruf so spannend und wertvoll.

Wie verlief Ihr Berufseinstieg?

Für mich stand schon früh fest, dass ich später mal als Lehrerin arbeiten möchte. Als ich dann mit meiner ersten eigenen Klasse, einer Einschulungsklasse, starten konnte, war das für mich extrem aufregend. Ich hatte schon immer ein Händchen für das «Besondere» und mir gefällt grundsätzlich das, was nicht der Regel entspricht. Als Schulische Heilpädagogin lerne ich ganz besondere Kinder kennen und das bereichert mich beruflich und persönlich sehr.

Der tägliche Austausch mit Kollegen hat mir beim Berufseinstieg sehr geholfen. Aber auch offen, geduldig und vor allem flexibel zu sein, war hilfreich. Manchmal war es nicht ganz einfach, Arbeit und Studium unter einen Hut zu bringen.

Meine Stellensuche war zum Glück ein kurzer Prozess. Da Schulische Heilpädagoginnen schweizweit sehr gesucht sind, konnte ich zwischen mehreren Stellen auswählen und schon während des Master-Studiums mit meiner Tätigkeit beginnen.

Welche Tipps geben Sie Studierenden?

Den eigenen Weg zu finden ist nicht immer einfach. Manchmal braucht es Umwege, bis man dort angekommen ist, wo man sein möchte. Ich weiss es sehr zu schätzen, dass ich schon früh wusste, was ich einmal werden will. Ich weiss, dass es vielen anders geht.

Die verschiedenen Praktika in meiner Laufbahn haben mir immer wieder aufs Neue gezeigt, dass es sich lohnt, sich durchzubeissen, auch wenn es mal schwer ist. Vor allem berufsbegleitende Studiengänge sind manchmal echt herausfordernd.

Der Austausch mit Mitstudierenden, beispielsweise gemeinsam Inhalte zu erarbeiten, war immer sehr wertvoll für mich. Die Aussicht etwas Sinnvolles im Leben zu machen, eine Leidenschaft und eine Begabung zum Beruf zu machen, hat mich aber immer am meisten motiviert.

Heilpädagogische Früherzieherin

Judith Rupf leitet eine inklusiven Kindertagesstätte.

"Flexibilität und Belastbarkeit sind wichtige Eigenschaften in unserem Berufsfeld."

Judith Rupf
Judith Rupf

«Ich fördere die Kinder in allen Entwicklungsbereichen, führe Entwicklungsdiagnostik durch, begleite und berate die Eltern.»

Laufbahn
JahrTätigkeit
2020 bis heuteLeitung der inklusiven Kindestagesstätte «Tannezapfe», Langnau a.A.
2018 bis 2021Fachperson und Teamleitung Heilpädagogische Früherziehung (HFE) in der «Tanne», Langnau a.A.
2017-2020Vorstandsmitglied im Berufsverband der Heilpädagogischen Früherziehung, BVF
2017-2018Ausbildung zu Marte Meo Therapeutin und Colleague Trainerin
2014-2018Heilpädagogische Früherzieherin am Heilpädagogischen Dienst St. Gallen-Glarus
2013-2014Praktikum und fachliche Mitarbeit bei zischtig.ch (Medienpädagogik)
2012-2015Masterstudium in Sonderpädagogik mit Vertiefungsrichtung Heilpädagogische Früherziehung am ISP der FHNW in Basel
2009-2012Bachelorstudium in Psychologie an der Universität Zürich
2007-2013Tätigkeit als Kinderskilehrerin
2008-2009Praktikum in einer Kinderkrippe
Jetzige Tätigkeit

Aktuell arbeite ich als Fachperson und Teamleiterin der Heilpädagogischen Früherziehung in der «Tanne», einem Kompetenzzentrum für Menschen mit Hörsehbehinderung in Langnau am Albis. Daneben begleite ich in der Region auch Kinder und Familien mit anderen Behinderungsformen, Entwicklungsverzögerungen, Entwicklungsauffälligkeiten, Verhaltensauffälligkeiten oder auch Kinder, welche in ihrer Entwicklung gefährdet sind. Ich bin viel mit dem Auto unterwegs, denn ich besuche die Kinder meist zuhause in ihrem vertrauten Umfeld. Ich fördere die Kinder in allen Entwicklungsbereichen, führe Entwicklungsdiagnostik durch, begleite und berate die Eltern. Und oft darf ich kreativ sein: Basteln, Spielideen entwickeln, Singen, Rausgehen, Kochen. Daneben habe ich auch einen engen Austausch mit anderen Fachpersonen wie beispielsweise Logopäden, Kita-Mitarbeitenden, Spielgruppenleitenden, Kinderärztinnen, Kinderphysiotherapeuten, Schulpsychologinnen. Die Förderstunden und der Prozess werden regelmässig dokumentiert und überprüft, was zwischendurch das Berichteschreiben an einem PC erfordert.

Als Teamleiterin bin ich verantwortlich für die Planung und Durchführung der Teamsitzungen wie auch für das Budget in meinem Bereich. Ich stehe im Austausch mit der Geschäftsleitung, anderen Heilpädagogischen Fachpersonen aus dem Kanton und mit verschiedenen kantonalen Stellen, da wir eine spezialisierte Heilpädagogische Früherziehung für die ganze Deutschschweiz anbieten.
Daneben bin ich als Kita-Leiterin der inklusiven Kindertagesstätte «Tannezapfe» im Austausch mit dem Kita-Personal und Eltern. Ich begleite Kinder als Heilpädagogische Früherzieherin bei der Integration und kann als Leiterin die Strukturen der Kita aktiv mitgestalten, um den Kindern mit besonderen Bedürfnissen eine grösstmögliche Teilhabe zu ermöglichen. Da wir eine inklusive Kita sind (Kinder mit und ohne besondere Bedürfnisse sind gemischt), habe ich auch Kontakt und Austausch mit Kindern, die sich der Norm entsprechend entwickeln.

Berufseinstieg

Meine diversen Praktika und Jobs während der Gymnasialzeit und nach der Matura, sowie auch während dem Studium waren sicher hilfreich bei meinen Bewerbungen, aber auch für mich persönlich. Ich konnte so stets wertvolle Erfahrungen in einem beruflichen Umfeld sammeln und die Theorie mit der Praxis verknüpfen. Auch meine Erfahrung in der langjährigen Tätigkeit in einem Verein waren sicher unterstützend. Dort konnte ich Sozial- und Selbstkompetenzen stärken und entwickeln, die auch in meinem Berufsfeld sehr gefragt sind; dazu gehören Offenheit, Vernetzung, Austausch, Selbstreflexion, Wertschätzung, Zuhören können. Ich bin im letzten Jahr des Masterstudiums in Sonderpädagogik teilzeit in die Heilpädagogische Früherziehung (HFE) eingestiegen und konnte dann langsam die Stellenprozente erhöhen, was sehr hilfreich war, da in der HFE vieles neu und herausfordernd war.

Tipps

Das Feld der Sonderpädagogik bietet viele Möglichkeiten. Wir können uns stets noch irgendwo vertiefen und weiterbilden, was sehr attraktiv ist. Vielfältiges Interesse, soziales Engagement und auch mal das Reinschnuppern in etwas völlig anderes können hilfreich sein, um herauszufinden was du möchtest. Ich habe auch einmal als Barmaid gearbeitet und Sprach-/Arbeitsaufenthalte in Costa Rica und Kanada gemacht. Flexibilität und Belastbarkeit sind wichtige Eigenschaften in unserem Berufsfeld.

Und viele Wege führen zur Heilpädagogischen Früherziehung: Auch als Kindergartenlehrperson, Logopädin, Sozialpädagoge oder Psychomotoriktherapeutin kannst du ein Masterstudium in Sonderpädagogik anschliessen. Praxiserfahrung ist dafür eine wichtige Voraussetzung.

Sonderpädagoge

Seit dem Abschluss des Bachelorstudiengangs Sonderpädagogik und Sozialpädagogik arbeitet Jan Westenfelder als Sozialpädagoge in einer Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

"Ich wollte nicht mehr den ganzen Tag vor dem Computer sitzen."

Jan Westenfelder
© Jan Westenfelder

Laufbahn

Alter/JahrTätigkeit/Ausbildung
2023Sozialpädagoge: Kindertagesklinik Biber der Universitären Psychiatrischen Dienste, Bern
2023Bachelor in Klinischer Heilpädagogik und Sozialpädagogik: Universität Freiburg
2019Praktika in einer Wohngruppe / in einer Schulklasse: Blinden- und Behindertenzentrum Bern / Sonderschulheim Mätteli, Münchenbuchsee (BE)
2000Verschiedene Tätigkeiten im Verlagswesen, zuletzt beim Hogrefe Verlag, Bern
2000Magister (Master) in Literaturwissenschaft mit den Nebenfächern Germanistik und Philosophie: Universität Bielefeld (Deutschland)
1994Zivildienst: Kindertagesstätte, Bielefeld
1993Abitur (Allgemeine Hochschulreife), Bielefeld (Deutschland)

Wie sieht Ihre aktuelle Tätigkeit aus?

Ich begleite auf unserer Station acht Kinder zwischen 6 und 13 Jahren. Sie gehen in der Klinik zur Schule und nehmen an verschiedenen Therapieformen teil. Ich begleite sie in ihrer Tagesstruktur, während des Mittagessens, der anschliessenden Pause und des wöchentlichen Gruppennachmittags. Insbesondere bin ich dann für sie da, wenn es Schwierigkeiten gibt oder es zu Krisensituationen kommt.

««Jedes Kind in seiner Einzigartigkeit erfassen, seine Entwicklungsbereiche, aber auch seine Ressourcen wahrnehmen, um es dann gezielt zu fördern.»»

Ich bin Teil eines Behandlungsteams, das aus den Bereichen Pflege/Pädagogik, Therapie und Schule besteht. Wir tauschen uns regelmässig über aktuelle Themen und Ziele jedes Kindes aus. Ein weiterer wichtiger Bestandteil meiner Tätigkeit ist die Elternarbeit. Regelmässige Gespräche helfen den Eltern, psychische Erkrankungen und Störungen zu verstehen und einen guten Umgang mit ihren Kindern zu finden.

Die Kinder kommen mit verschiedenen Diagnosen zu uns in die Tagesklinik, etwa ADHS und Autismus-Spektrum-Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, Angststörungen, Bindungsstörungen, Zwangsstörungen oder Depression. Meine Aufgabe ist es, den Kindern im geschützten Rahmen Kontaktaufnahmen und Interaktionen mit anderen Kindern zu ermöglichen sowie sie im Umgang mit ihren Emotionen und in Konflikten zu unterstützen. Zentral ist, zu erkennen, wann ein Kind unter Anspannung gerät, um ihm dann eine Rückzugsmöglichkeit zu bieten. Langfristig erarbeiten wir Strategien, damit sie selbst mit solchen Anspannungen umgehen können.

Wie verlief Ihr Berufseinstieg?

Nach fast 20 Jahren im Verlagswesen war ich nicht mehr damit zufrieden, den ganzen Tag am Schreibtisch vor dem Computer beziehungsweise vor Papierstapeln zu sitzen. Ich beschloss, noch einmal etwas Neues zu beginnen, in einen sozialen, lebendigen Beruf einzusteigen, bei dem ich mit Menschen arbeiten kann.

Bei der Berufsberatung wurden mir verschiedene Wege aufgezeigt. Insbesondere wurde mir der damalige Studiengang Klinische Heilpädagogik und Sozialpädagogik an der Universität Freiburg empfohlen. Nach zwei Vorpraktika in einer Sonderschulklasse und in einem Wohnheim für Erwachsene mit mehrfacher Behinderung habe ich mich dort eingeschrieben. Das Studium umfasst selbst wiederum mehrere Praktika und in einem davon habe ich die Tagesklinik kennengelernt, in der ich jetzt arbeite. Mittlerweile betreue ich selbst Studierende der Universität Freiburg im Praktikum.

Welche Tipps geben Sie Studierenden?

Die Sozialpädagogik ist ein breites Feld und es gibt viele verschiedene Bereiche, in denen Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen tätig sind. Es lohnt sich daher, Praktika in unterschiedlichen Bereichen zu absolvieren, um die ganze Bandbreite an Möglichkeiten kennenzulernen. So war mir vor meinem Praktikum in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht bewusst, dass dies ein zukünftiges Berufsfeld für mich sein könnte. Das Studium bietet jedoch zahlreiche Anknüpfungspunkte für meine Arbeit, wovon ich sehr profitiere.



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