Wir erforschen den Kontext eines Werkes
F. W. studiert Musikwissenschaft im ersten Semester Master an der Universität Bern (UNIBE).
Was gab den Ausschlag für Ihre Studienwahl und Fächerkombination?
Seit jungen Jahren interessiere ich mich für Musik und nahm Unterricht an der Musikschule. Die Musik ist meine Leidenschaft, auch die deutsche Sprache fasziniert mich. Musikwissenschaft war also die optimale Lösung für mich; ich konnte mein Hobby, das Musizieren, behalten, und Musik und Sprache – vor allem das Schreiben – auf für mich ideale Weise verbinden.
Was ist der gesellschaftliche Nutzen der Musikwissenschaft?
Die Musikwissenschaft hat unter anderem einen vermittelnden Nutzen. Sei es eine Musiktheater-Einführung vor dem Opernbesuch, Erklärungen zu Notentexten oder ein Programmhefttext – damit erleichtert die Musikwissenschaft dem Publikum den Zugang. Wir erforschen den Kontext eines Werkes, dessen Entstehungsgeschichte und setzen es in einen historischen Zusammenhang. Das Ziel ist es, dem Publikum einen musiktheoretischen, praktischen und musikhistorischen Überblick zu geben.
Wie sieht Ihr Studienalltag aus?
Während des Semesters stelle ich meinen Stundenplan jeweils selbst zusammen. Pro Woche besuche ich vier bis fünf Veranstaltungen. Zwei Seminare und drei Vorlesungen etwa. In Stunden heisst das: Zehn Stunden Präsenzzeit in den Veranstaltungen, daneben pro Veranstaltung zwischen einer und zwei Stunden Arbeit für Vor- und Nachbereitung. Morgens lese ich meine E-Mails, gehe auf die Plattform der Universität, lade die Texte herunter, lese diese und mache mir Notizen. Nach dieser Vorbereitung mache ich mich auf den Weg zu den Veranstaltungen. Bei gewissen Vorlesungen schreibe ich jeweils Zusammenfassungen, welche mir bei der Prüfungsvorbereitung helfen. Langweilig wird mir nie, es gibt immer etwas zu tun.
Sie beschäftigen sich mit der Operngeschichte, was fasziniert Sie daran?
Bereits lange vor dem Studium habe ich häufig Opernveranstaltungen besucht. Mich fasziniert daran, dass die Figuren singen, und nicht reden. Die Opernwelt ist zum Eintauchen da, die Handlung ist bekannt, spannend sind die verschiedenen Inszenierungen dahinter. Daneben ist die Musik das zentrale Element für mich: Wie hat die Komponistin oder der Komponist die Figuren musikalisch gezeichnet? Welche musikalischen Elemente werden warum, wann und wie den Figuren zugeordnet?
Dies ist der Grund, warum ich mich für die Einführungsvorträge beim Konzert Theater Bern beworben habe. Ich besuche diese vor jeder Oper und finde es toll, dass die Gedanken der In-Szene-Setzenden dem Publikum weitergegeben werden. Nun halte auch ich solche Vorträge und erhalte viel positives Feedback.
Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?
Ich arbeite 50-60 Prozent neben dem Studium, zudem unterstützen mich meine Eltern. Ich will Erfahrung in verschiedenen Bereichen der Musikwissenschaft und der Musikvermittlung, dem Musiktheater und dem Schreiben über Musik sammeln. So habe ich nebst dem Studium auch praktische Erfahrung.
Worum ging es bei Ihrer Bachelorarbeit?
Peter Tschaikowsky, der russische Komponist, hatte stets grosse Geldsorgen. Eines Tages erhielt er einen Brief von Nadjeschda von Meck, einer russischen Mäzenin. Zwischen den beiden entstand eine sonderbare briefliche Verbindung: Sie schrieben sich während 14 Jahren über tausend Briefe, sahen sich aber nur ein einziges Mal rein zufällig. Über diese Freundschaft wurde extrem viel spekuliert. Mein Ziel war es, diese verschiedenen Positionen und Spekulationen zu sammeln, auszuwerten und zu hinterfragen.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Im nächsten Semester besuche ich ein Seminar zum Thema: «Hymnen im Amazonas. Musik und Gesellschaft im kolonialen Iberoamerika». Ich freue mich auf viele Wow-Effekte. Auch nach dem ersten Mastersemester bin ich immer noch von der Opernwelt fasziniert. Eine Vorlesung zum Leben und den Werken von Peter Tschaikowsky ist angekündigt. Das lasse ich mir nicht entgehen.
Nach dem Abschluss würde ich mich freuen, im Kulturmanagement, in der Vermittlung oder in einem Verlag als Redaktorin tätig zu sein. Am liebsten wären mir zwei unterschiedliche Tätigkeiten: Unterrichten und Schreiben sowie Organisieren und Vermitteln. Ich könnte mir auch vorstellen, eine Doktorarbeit zu schreiben.